15.06.2000
Kaiserkult als Ursprung der frühchristlichen Basilika
aus zwei Beiträgen im Forum
THOMAS GROSSENBACHER
Der im Hinblick auf Ihre Fragen unverdächtige Kunsthistoriker Diether Rudloff schreibt in seinem Buch über die Romanik ("Magisches Dunkel", 1993): Man "sucht ... mit Recht das äussere Vorbild der Basilika mehr im Palatium sacrum, im Thronsaal für den römischen Kaiserkult. (nach LOrange-Nordhagen, "Mosaik", 1960) Hier trat nämlich der Kaiser-Gott, der Cäsar als gegenwärtige Gottheit vor seine anbetenden Untertanen. Eine solche Anlage findet sich beispielsweise im Diokletian-Palast in Spoleto, der axial auf den Kaiser selbst ausgerichtet ist, welcher im Hintergrund dieses Saales wie ein Götterbildnis thronte. Der «Hof» versammelte sich dabei in einem offenen Säulen-Atrium; der Kaiser trat dann aus dem Hintergrund heraus oder sass unter dem Himmelsbaldachin, dem Cimborium, umgeben von Edelsteinen und Fackeln. So wurde er im weltlichen, ja materialistischen Sinne zu einem «coeleste miraculum», zu einem himmlischen Wunder. ... Der «Adventus Divi», die Ankunft des vergöttlichten Kaisers wurde" im Christentum "zum «Adventus Dei», zur Ankunft des menschgewordenen Logos."
Gerade weil Rudloff (gest. 1989) in seinem Text einen "diametralen" Gegensatz des Christentums zum Kaiserkult behauptet, sind seine Angaben umso bemerkenswerter! Die frühchristliche Basilika findet also ihr architektonisches Vorbild im römischen Kaiserkult! Auch kultisch scheint der Kaiserkult christliche Elemente präformiert zu haben. So weist die architektonische Sprache des frühen Christentums klar auf den Kaiserkult hin: Sollte der verehrte christliche Gott tatsächlich ein "Caesar" sein, warum dann nicht gleich der Divus Iulius Caesar selbst, wie Sie es sagen? Wenn das Christentum von Anfang an sich derart als Gegensatz zum Caesarenkult verstand, wie seine eigenen Legende behauptet warum eben dann diese architektonische Anlehnung an diesen?! Die Beschäftigung mit der Maxentius-Basilika in Rom bietet weitere Aufschlüsse dazu: In der Apsis an der Stirnseite dieses von gedämpftem Licht erfüllten Gewölbesaales befand sich ein Kolossalbild Konstantins. Kurz nach ihr entstanden die ersten christlichen Basiliken.
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Das, was sie zu Rudloff sagen ist stichhaltig [dagegen jedoch: Ilka Stitz]. Es paßt gut zu Ihren Erläuterung über das Pantheon > Santa Maria Rotonda.
Die Frage, die Sie am Schluß aufwerfen, warum auf den Kaiserkult zurückgreifen und nicht gleich auf den Divus-Julius-Kult, ist tatsächlich die Gretchenfrage: Vielleicht weil der "diametrale" Gegensatz sich besser vom Christentum zum Kaiserkult als zum Divus-Julius-Kult aufrechterhalten läßt? (Im Einzelfall, muß man zu seiner Entschuldigung sagen, hatte Rudloff wahrscheinlich vom letzteren überhaupt keine gesonderte Kenntnis, außer als Anfang des Kaiserkults).
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