Zeitensprünge – Heribert Illig


[ redi ad Echo ]


Zeitensprünge, Interdisziplinäres Bulletin, Jg. 11, Heft 4, Dezember 1999, S. (658-)670

Katastrophen zu Zeiten des Menschen

W. Pitman – W. Ryan – F. de Sarre – D. Keys – F. Carotta
Eine Sammelrezension von


HERIBERT ILLIG

[…]

Wer einen wirklichen „Geschichts-Crash“ erleben will, der greife (auf Empfehlung von Peter Hahn) zu Francesco Carotta. So unsinnig seine Fragestellung: „War Jesus Caesar?“ wirkt, so viele überraschende Parallelen kann er als Antworten zwischen dem vergöttlichten Imperator und Gottes Sohn herausarbeiten. Inmitten einer unabsehbaren Literatur, die unermüdlich jedes Bibelwort auf der Goldwaage prüft, findet er einen ganz neuen Aspekt: In bisheriger Sicht hat sich der für den vergöttlichten Caesar posthum gegründete Kaiserkult rätselhafterweise verflüchtigt, in Carottas Sicht ist er zum christlichen Kult mutiert (worden).

Diese verwegene These hat einen ungenannten Vorläufer. Livio C. Stecchini hat bereits 1982 etwas Vergleichbares niedergeschrieben: „The Passion of Jesus read as a Roman Tragedy“. Stecchinis Text, der Seneca als geistigen Urheber der Leidensgeschichte hervorhebt, ist möglicherweise nie als Buch erschienen (mir nur als PAF-Skript, herausgegeben von Jan N. Sammer, bekannt). Eine deutsche Übersetzung wäre nunmehr leichter vorstellbar.

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NOTA BENE: Stecchini’s These scheint im Fahrwasser der alten von Bruno Bauer zu bleiben („Christus und die Caesaren – Der Ursprung des Christenthums aus dem römischen Griechenthums“, Berlin 1877), der bereits ein Jahrhundert vor Stecchini den „Urevangelisten“ in Rom suchte, im Umfeld des Seneca – und des Flavius Josephus. Als „Vorläufer“ derartiger Theorien ist Bruno Bauer in War Jesus Caesar? nicht „ungenannt“ geblieben (cf. S. 371). Allerdings ist weder Bruno Bauer, noch in der Folge Stecchini, ein „Vorläufer“ unserer These, als jene meinen, Jesus sei eine literarische Erfindung, habe also historisch nie existiert, während unsere Aufdeckung zeigt, daß Jesus, wenn auch verwandelt, Divus Iulius, der vergöttlichte Caesar, ist. Das ist nicht dasselbe, und was die historische Existenz Jesu angeht eigentlich das Gegenteil.
Präzisieren sollte man auch, daß der Kult des Divus Iulius sich nicht auf den „Kaiser“-kult reduzieren läßt – Caesar und Kaiser ist nicht identisch: Obwohl sie sich nach ihm nannten, war kein Kaiser Caesar, und Caesar wohl kein Kaiser –, was schließlich die Möglichkeit eröffnete, daß der Kult des Divus Iulius den Kaiserkult überlebte (cf. u.a. S. 351).
Auffällig ist indes, daß die Zeitschrift „Zeitensprünge“ gerade den „Zeitensprung“ des Dionysius Exiguus – 2000 Jahre +100: Caesars Geburt exakt 100 vor Christi! (cf. S. 369 f.) – übersehen oder für nicht erwähnenswert erachtet hat. Vom Thema her würde es nämlich zu „Zeitensprünge“ gut passen, denn wie ein Freund scherzte: Wenn da ein Jahrhundert verschwunden ist und zur Zeit Karls des Großen eins dazugekommen, dann liegen wir mit der Datierung wieder richtig!



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