Badische Zeitung – Irina Strohecker


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Badische Zeitung, 15.10.2007, Seite 33 "Dreisamtal"
Badische Zeitung, 16.10.2007, Seite 33 "Rund um Freiburg"

Für einen Forscher gibt es nichts Ärgerlicheres als die Fiktion“

Francesco Carotta, der in Kirchzarten lebt, ist ein Querdenker: „Jesus war Caesar“ ist seine These, die er in Büchern und im Film verbreitet

IRINA STROHECKER

KIRCHZARTEN. Jesus war Caesar, ist sich Francesco Carotta sicher. Der gebürtige Italiener ist Buchautor und lebt in Kirchzarten, von wo aus er Recherche betreibt, Sprachen, Evangelien und Quellentexte unter die Lupe nimmt und Briefkontakt mit der ganzen Welt hält. 

"Ich tausche mich mit Menschen in der ganzen Welt aus, aber die Leute hier kennen mich nicht", lacht Francesco Carotta, der häufig auf Reisen ist. Das scheint dem auf den ersten Blick menschenscheuen, auf den zweiten Blick jedoch offenherzigen Italiener ganz recht zu sein. "Mir geht es nicht um meine Person, sondern um meine Erkenntnis", sagt er. In seinem Buch "War Jesus Caesar? Eine Suche nach dem römischen Ursprung des Christentums", das im Spätherbst im Verlag Ludwig (Kiel) erscheinen wird, beschreibt er seine neuesten Entdeckungen zu der gewagten These. Diese hatte der Wahl-Kirchzartener bereits in seinem Buch: "War Jesus Caesar? 2000 Jahre Anbetung einer Kopie" vorgestellt, erschienen 1999 im Goldmann-Verlag in München.

Seine Annahme stützt Carotta auf Parallelen im Leben von Julius Caesar und Jesus Christus. Dabei arbeitet er mit einer raum-zeitlichen und historisch-geographischen Verschiebungstheorie, die er sprachwissenschaftlich und ikonografisch herleitet. "Sowohl Jesus als auch Caesar beginnen ihr Wirken in einem Land im Norden: Caesar in Gallia, Jesus in Galiläa", so Carotta. Als weitere Parallelen findet er: "Beide überqueren einen verhängnisvollen Fluss: den Rubicon und den Jordan und beide kommen dann in eine Stadt: Corfinium und Cafarnaum. Corfinium findet Caesar von einem Pompeianer besetzt, Jesus findet in Cafarnaum einen von einem unreinen Geist besessenen Mann vor", beleuchtet er einen kleinen Bruchteil seiner These. Seines Erachtens sind eindeutige Parallelen sowohl in den Namen als auch in der Struktur zu erkennen: Gallia und Galiläa; Corfinium und Cafarnaum; besetzt und besessen (beides lateinisch obsessus).

Um seine These zu stützen bezieht er sich auf Verschreibungen beim damaligen handschriftlichen Kopierprozess. Fehlerhafte Übersetzung der Evangelien, Diktierfehler und Flüsterposteffekt seien die Gründe, so Carotta.

Sein Buch liest sich wie ein Krimi, wobei der Autor als Sprachdetektiv einer heißen Spur folgt. Und tatsächlich bekam Carotta bereits Drehbuchanfragen. "Ich bin Forscher. Um einen Krimi zu schreiben, muss man fingieren. Für einen Forscher gibt es nichts Ärgerlicheres als die Fiktion" , reagiert Carotta leicht pikiert auf diese Anfragen.

Sein Buch hat Menschen begeistert, verärgert, amüsiert, fasziniert. 2002 wurde es ins Niederländische übersetzt und war auf Anhieb ein Bestseller; 2005 folgte die englische Übersetzung. Nur in Deutschland erhielt es verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit. 

Obwohl das Buch auf wissenschaftliche Methoden aufbaut, ist es unterhaltsam geschrieben und kann — das ist vielleicht der Grund seines Erfolges — von jedem gelesen werden. "Mir scheint, mein Buch kann jeder lesen" , sagt Carotta und setzt hinzu: "Man muss nicht unbedingt Latein können" .

"Ich möchte niemanden bekehren. Mich interessiert nur die Dokumentation" , führt er weiter aus. "Meine Forschung hat vor 19 Jahren angefangen" , so Francesco Carotta, der zehn Sprachen fließend spricht. In weiteren zehn Sprachen besitzt er Kenntnisse und in die ägyptischen Hieroglyphen arbeitete er sich ein, da nach seinem Dafürhalten Magdalena Kleopatra gewesen sein soll. Bei der Analyse von Quellentexten tauscht er sich auch mit Vertretern der Kirche aus.

Im Priesterseminar fiel er durch unangenehme Fragen auf

Sein Lebenslauf liest sich fast genauso ungewöhnlich wie seine These: Der 60-Jährige wurde in Ca’Zen in Venetien geboren. Sein Vater war Bürgermeister, seine Mutter, eine streng gläubige Katholikin, arbeitete als Damenschneiderin. Der Vater, ein Sozialist, wenig gläubig, aber politisch und sozial engagiert, half den Armen im Dorf. Die Kirche dagegen sei auf der Seite der Großgrundbesitzer gewesen, erinnert sich Carotta. "Man soll nicht so viel glauben, sondern tun", sagt er und forscht emsig weiter.

Nach kurzem Aufenthalt in einem italienischen Priesterseminar, in dem Carotta durch unangenehme Fragen auffiel, entschied er sich für eine technische Ausbildung und absolvierte in Italien ein Diplom als Industrieingenieur. Danach studierte er an der Universität Dijon Philosophie. Mit 23 Jahren und bereits zwei Studienabschlüssen kam er nach Deutschland, wo er an den Universitäten Frankfurt am Main und Freiburg Sprachen, Geschichte und Archäologie studierte. Genau wie sein Vater engagierte er sich politisch und sozial. Er gab Deutschkurse für Gastarbeiter. Carotta beteiligte sich am Frankfurter Häuserkampf der frühen 70er Jahre. Später leitete er das Casa di Cultura Popolare, ein italienisches Kulturzentrum für Volksbildung. In Freiburg war er unter anderem als Leiter einer Informatikfirma tätig und arbeitete bei einem Verlag.

In Kirchzarten fühlt Carotta sich wie zu Hause. Jedoch ist er häufig auf Reisen, in letzter Zeit in Holland, wo im Spätherbst ein Dokumentarfilm des Regisseurs Jan van Friesland über sein Buch anläuft, der auch hier zu sehen sein wird. In Holland existiert ein kleiner Kreis an Wissenschaftlern, die sich mit seiner These intensiv beschäftigen.

"Bei den Dreharbeiten stand ich viel zu häufig vor der Kamera" , berichtet der medienscheue Carotta. "Für den Dokumentarfilm haben wir in Oberried die Weihnachtskrippe aufgenommen, sowie ein Gespräch darüber mit Pfarrer José Cabral" , berichtet er. Momentan kennen nur wenige Menschen im Freiburger Raum den Autor Francesco Carotta. Das wird sich nach dem Film vermutlich ändern.

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