Caesar – nur ein Dictator?


Nachfolgend finden Sie Überlegungen, über warum Caesar lediglich als Feldherrn und Dictator angesehen wird,
sowie einen Test, um das eigene Caesarbild festzustellen.


Zurück zum Summarium
Zurück zur Startseite
Caesar, kennen wir ihn?

Test

***

Caesar, kennen wir ihn?

Was uns mental daran hindert, den Gedanken überhaupt zuzulassen, Jesus könne doch Divus Julius, der vergöttlichte Caesar, sein, ist nicht nur das Bild, das wir von Jesus haben, sondern jenes, das wir von Caesar mit uns schleppen. Wenn wir Caesar hören, denken wir an den Feldherrn und an den Diktator, und wenn an den Schriftsteller, dann als Berichterstatter der eigenen militär-politischen Taten. Andere Aspekte Caesars – insbesondere die Clementia Caesaris, Caesar Pontifex maximus und Divus Julius – sind zwar den Fachleuten bekannt, aber aus dem kollektiven Bewußtsein verdrängt. Ich erspare mir und Euch die Zitate aus der zeitgenössischen Literatur, aus denen es ergeht, daß es wirklich so ist: Sie brauchen nur irgendein in der Nachkriegszeit veröffentlichtes Buch über Caesar aufzuschlagen, und Sie werden sehen. (Stellvertretend für viele andere nur ein Beispiel: Im Vorwort zu Caesar, D. Rasmussen ed., Darmstadt 1967, listet der Herausgeber auf: «Caesar war Politiker und Staatsmann, Eroberer, Entdecker und Feldherr zugleich – und nicht zuletzt ein Redner und Schriftsteller von Rang […]». Der Pontifex maximus, Sohn der Venus und Reichsgott wird auch hier – immerhin ein Buch zum 2000 Todestag Caesars, das zig verschiedene Aufsätze sammelte, la crème der damaligen Caesar-Forschung –, nicht erwähnt.)

Der Grund liegt nicht nur darin, daß römische Geschichte in der Schule kaum noch gelernt wird, daß die Informationen aus Kino, Fernseh und Comics-Heften, banal und tendentiell verfälschend sind.
Dazu gibt es außerdem einen überlieferungstechnischen, einen kulturpolitischen und einen schubladenpublizistischen Grund:

Da uns praktisch nur seine Commentarii zu eigenen Kampagnen erhalten sind (seine Liebesgedichte, Tragödien, Reiseberichte, etc. sah schon sein puritanischer Adoptivsohn Octavian Augustus nicht gerne – zu liederlich? – und die Mönche im Mittelalter fanden wichtiger, bändeweise die Kirchenväter zu kopieren als uns Caesars Schriften zu überliefern), wird auch der Aspekt Schriftsteller unter Feldherrn und Dictator subsumiert.

Da wir gerade die Diktatoren überwunden haben, die in der ersten Hälfte des ausgehenden Jahrhunderts auftauchten, wird der Dictator par exellence implizit für jene verantwortlich gemacht. Caesar ist am Caesarismus schuld, die Wörter sind ja so ähnlich, und da Mussolini geographisch gesehen aus demselben Land kommt, dann war er dessen Großvater. Daß besagter Mussolini nicht in ihm, sondern in Augustus seinen Lehrmeister sah, wen kümmert es? Eine Detailfrage, man soll es nicht so genau nehmen! Zumal man damit die Möglichkeit hat, sich des fortschrittlichen Caesars zu entledigen und den konservativ bis reaktionären Octavian Augustus beizubehalten – und das auch noch als politically correct zu verkaufen!

Spätestens seit der Entzweiung von Erasmus und Luther trennt man im Abendlande das Weltliche vom Religiösen, das Staatliche vom Kirchlichen, was bei den Römern – und den antiken Völkern allgemein – nicht getrennt war: Politische und religiöse Ordnung waren zwei Aspekte derselben Salus civium, des Heils der Bürger. Alle römischen Politiker bekleideten neben den Ämtern ihrer Laufbahn auch religiöse Würden, waren nicht nur Quaestoren, Aedilen, Praetoren, Konsulen, Volkstribunen, Imperatoren, etc., sondern auch Auguren, Pontifices, Flamines, etc. Caesar machte da keine Ausnahme, außer, daß er die höchsten erreichte und in sich vereinte: Konsul, Dictator, Imperator und Pontifex maximus.
Das hat sich in den Lektoraten unserer populärwissenschaftlichen Verlage noch nicht herumgesprochen, und noch weniger in den Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen. Veröffentlichungen über den Kaiserkult sind rar, über den vergöttlichten Caesar kaum möglich (Stefan Weinstock mußte nach Oxford emigrieren, um seinen Divus Julius zu verwirklichen, das schließlich auf englisch erschien).

Als Beispiele dieser, seltenen, Literatur, seien hier erwähnt:

  • G. Dobesch, Caesars Apotheose zu Lebzeiten und sein Ringen um den Königstitel, Wien 1966
  • Helga Gesche, Die Vergottung Caesars, Kallmünz 1968
  • St. Weinstock, Divus Julius, Oxford 1971
  • A. Alföldi, «La divinisation de César dans la politique d’Antoine et d’Octavien entre 44 et 40 avant J.-C.», RN 15 1973, p. 99–128 (Pl. IV–XIII)
  • Antonie Wlosok ed., Römischer Kaiserkult, Darmstadt 1978

Alle Titel sind natürlich vergriffen und nur in Universitäts-Bibliotheken zu finden, wenn überhaupt.


***

Damit Sie eine Vorstellung davon bekommen, wie weit das herkömmliche Caesarbild von den Tatsachen entfernt bleibt, geben wir Ihnen anbei die Möglichkeit, sich selbst und Ihre Freunde zu testen.


Kennen wir Caesar?

Wollen wir testen? Was ist richtig?

  1. Caesar bekleidete sukzessive oder kumulierend so gut wie alle römischen Amter und Würden – u. a. Quaestor, Aedil, Konsul, Imperator –; das Wichtigste jedoch, was er fortwährend innehatte und immer an erster Stelle genannt wurde, war:
    a) Dictator;
    b) Pontifex maximus.

  2. Der erste Römer, der an der Spitze einer Privatarmee im Bürgerkrieg eingriff, war
    a) Caesar;
    b) Octavian, der spätere Augustus.

  3. Während des gallischen Kriegs:
    a) ließ Caesar die Pferde der Germanen stehlen und verteilte stolz die Beute unter die jungen römischen Ritter;
    b) nahm Caesar den stolzen jungen römischen Rittern die Pferde weg und teilte sie seinen germanischen Reitern zu.

  4. Nach der Eroberung Galliens:
    a) schleppte Caesar die Besiegten als Sklaven nach Rom, ließ die Männer als Gladiatoren im Zirkus gegeneinander kämpfen und warf Frauen und Kinder den Löwen zum Fraß;
    b) erteilte er den Galliern das römische Bürgerrecht und machte viele von ihnen zu Senatoren, so daß in Rom bald mehr gallische Hosen als Togas zu sehen waren.

  5. Nach all den weltumspannenden Kriegen
    a) hinterließ Caesar eine verwüstete, entvölkerte Welt, machte die widerspenstigen Städte dem Erdboden gleich, erhöhte die Steuer, nahm den Völkern das beste Ackerland weg, verteilte es den römischen Aristokraten und hungerte so die Provinzen aus;
    b) baute die zerstörten Städte wieder auf und gründete unzähligen neuen, senkte die Steuer, nahm den Aristokraten die von ihnen usurpierten Latifundien weg, verteilte das beste Land den Veteranen und den Proletariern, drängte das Weideland zurück, förderte den Ackerbau, besiegte dadurch den Hunger und hinterließ blühende Landschaften.

  6. Nach dem Sieg im Bürgerkrieg
    a) statuierte Caesar an seinen Feinden ein Exempel und ließ sie allesamt hinrichten, den Spartacus sogar kreuzigen;
    b) verzieh Caesar all seinen Feinden, setzte sie in Amt und Würde wieder ein, am rührendsten kümmerte er sich um den Brutus, der ihn später ermorden sollte.

  7. Caesar wurde ermordet
    a) weil er das römische Volk unterdrückt und die fremden Völker versklavt hatte; Gallier und Juden gehörten zu den Mandanten der Verschwörung; bei der Leichenrede sprach Antonius das berühmte Wort «und Brutus ist ein ehrbarer Mann», das Volk jubelte, schleppte die Leiche des Tyrannen durch die Stadt und warf sie schließlich in den Tiber;
    b) weil er die Privilegien der römischen Nobilität beschnitten hatte; vornehmste Römer gehörten zu den Verschwörern, der gelehrte Cicero zu den Mandanten; Gallier und Juden trauerten am längsten; bei seiner Beisetzung pries Antonius ihn als Gott und seine Taten als Wunder, das Volk verbrannte Caesars Leiche auf dem Forum, empörte sich gegen die Mörder, machte Jagd auf sie und trieb sie aus der Stadt.

  8. Nach seiner Ermordung
    a) wurde Caesar verdammt und sein Name, Kaiser, wurde all seinen Nachfolgern, insbesondere den schlechten wie Caligula und Nero, zum Spott und Hohn entgegengehalten;
    b) wurde Caesar zu den Göttern erhoben, aus tiefster Überzeugung des Volkes, und nur die Besten unter seinen Nachfolgern durften nach seinem Beispiel postum als Götter angesehen werden.

Wenn Sie die richtigen Antworten gewußt haben – nämlich immer b) –, oder wenn Sie sich wenigstens damit anfreunden können, daß sie die richtigen sind, nicht stur darauf beharren, daß Caesar der Urgroßvater von Mussolini ist, der Unterdrücker von Asterix und der Verfolger der ersten Christen, wenn Sie Geschichte nicht (nur) in Hollywood studiert haben (Quo Vadis, Ben Hur, Spartacus, etc.), wenn Sie nicht so sicher sind, ob Rom wirklich das «antike Reich des Bösen» war (O-Ton Spiegel-TV, u.a.), dann sind Sie für den «Geschichts-Crash» vorbereitet, den Sie beim Lesen dieser Texte erleben werden – zumindest teilweise vorbereitet.

    QUELLEN: Daß die Antworten immer b) sind belegt die gesamte antike Historiographie, nicht nur das Corpus Caesarianum, sondern auch die Historiker des Bürgerkriegs und Caesars Biographen (Sueton, Velleius Paterculus, Appian, Plutarch, Dio Cassius, etc.), passim. Insofern erübrigen sich genaue Quellenangaben.

    Zu den Fragen 3 und 4 jedoch, die spezifisch sind, seien hier die Zitate gebracht:

  • Caes. BG 7.65: Caesar quod hostes equitatu superiores esse intellegebat et interclusis omnibus itineribus nulla re ex provincia atque Italia sublevari poterat, trans Rhenum in Germaniam mittit ad eas civitates, quas superioribus annis pacaverat, equitesque ab his arcessit et levis armaturae pedites qui inter eos proeliari consuerant. eorum adventu, quod minus idoneis equis utebantur, a tribunis militum reliquisque equitibus Romanis atque evocatis equos sumit Germanisque distribuit.
    [«Caesar, der begriff, daß die Feinde an Reiterei überlegen waren und, da jede Verbindung abgeschnitten war, er keinerlei Hilfe aus der Provinz oder aus Italien erhalten konnte, schickte über den Rhein nach Germanien zu den Stämmen, die er in früheren Jahren befriedet hatte, und ließ von dort Reiter und leichtbewaffnetes Fußvolk kommen, das zwischen den Reitern zu kämpfen gewohnt war. Bei ihrer Ankunft, weil sie weniger geeignete Pferde hatten, nahm er den Kriegstribunen, den übrigen römischen Rittern und den freiwillig Längerdienenden die Pferde weg und verteilte sie an die Germanen»].
    (Er handelte also wie nach dem Motto: Ich brauche keine Ritter, ich brauche Reiter!)
  • Suet. Div. Jul. 80: … et illa vulgo canebantur :
    Gallos Caesar in triumphum ducit, idem in curiam ;
    Galli bracas deposuerunt, latum clavum sumpserunt.
    [«… auch konnte man überall die Verse singen hören:
    Die Gallier hat Caesar in Triumph geführt, doch auch in den Senat,
    die Gallier zogen die Hosen ab, und den Purpurstreif an.]